Die Zehntklässler der Freien Sekundarschule im Burgenland können – so sie ihr Abitur ablegen wollen – ab dem kommenden Schuljahr noch drei Jahre länger im Unterrichtsgebäude in der Naumburger Schulstraße verweilen. Denn dann soll dort ein Fachgymnasium einziehen. FOTO: TORSTEN BIEL
Erschienen am 11.09.2012, Naumburger Tageblatt
Fachgymnasium für Naumburg
VON HARALD BOLTZE
NAUMBURG – Ab dem kommenden Schuljahr, sprich ab August 2013, wird es in Naumburg ein zweites Gymnasium geben, und zwar ein Fachgymnasium. Dort können Schüler, die zuvor an einer anderen Schule einen erweiterten Realschulabschluss erlangt haben, binnen drei Jahren das Abitur ablegen. Träger der Einrichtung ist die Medizinische Berufs-Akademie (MBA), die in der Domstadt bereits die Freie Schule im Burgenland betreibt. „Wenn das Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist, werden wir im Land das erste Fachgymnasium in freier Trägerschaft betreiben“, blickt MBA-Geschäftsführer Klaus Mischke voraus.
Einziehen soll das Fachgymnasium voraussichtlich in die ehemalige Jan-Hus-Schule in der Schulstraße. Das Gebäude, in dem auch die Freie Schule beheimatet ist, gehört der MBA. Und dadurch, dass der Hort der Salztorschule ausgezogen ist, wurden Räume frei. „Jedoch muss man feststellen, dass es sich bei dem Gymnasium um eine eigenständige Bildungseinrichtung handelt. Wir müssen also die ersten drei Jahre ohne Fördermittel auskommen“, so Mischke.
Auf die Idee waren er und seine Ehefrau Birgit Braune, die die MBA zusammen als Geschäftsführer leiten, schon vor einiger Zeit gekommen. „Und im jüngsten Abschlussjahrgang der Freien Schule wurden wir noch einmal bestätigt. Zwölf von 22 Schülern machten da den erweiterten Realschulabschluss, und alle gingen danach an auswärtige Fachgymnasien, vor allem nach Jena, um dort das Abitur zu machen. Da haben wir uns gedacht: Warum sollen wir die Schüler nach Jena schicken? Das können wir doch auch selbst“, sagt Birgit Braune.
Maximal 40 Schüler sollen einmal in Naumburg unterrichtet werden. Je 20 in den beiden Schwerpunkten „Gesundheit/ Soziales“ sowie „Wirtschaft“ (siehe auch Beitrag „Schwerpunkte“). „Wenn es zum Start im kommenden August aber nur je 15 Schüler sind, wären wir auch zufrieden. Das Angebot muss ja erst einmal bekannt werden. Bisher weiß ja nur der Oberbürgermeister davon“, so Braune. In naher Zukunft sind Informationsveranstaltungen für interessierte Schüler und Eltern geplant. Eine Website mit allen nötigen Informationen soll entstehen. Personell wollen Braune und Mischke sowohl neue Lehrer einstellen als auch auf Lehrer, die bisher an der eigenen Sekundarschule tätig sind, zurückgreifen. „Die meisten von unseren Lehrern haben eine gymnasiale Befähigung „, so Klaus Mischke.
Das große Problem, das andere private Schulen stets umtreibt, neues und gutes Personal zu finden, habe man an der MBA bisher nicht gehabt. „Im Gegenteil, wir freuen uns über die vielen Spontan-Bewerbungen, die bei uns eintreffen. Zudem spricht sich das gute Arbeitsklima bei uns herum“, sagt Birgit Braune. Und auch die Schülerzahlen stimmen. Die aktuellen „Zehner“ sind der einzige Jahrgang, der noch einzügig läuft. Ab 2013/14 wird jeder Jahrgang aus zwei Klassen bestehen. Auch für das aktuelle Schuljahr hatte man wieder weit mehr Bewerbungen als freie Plätze. Interessenten für das kommende Schuljahr können sich schon einmal den Tag der offenen Tür der Sekundarschule am 13. Oktober von 10 bis 13 Uhr vormerken.
Nicht leugnen wollen die MBA-Geschäftsführer, dass auch sie das eigene Personal nicht so gut wie an einer staatlichen Schule bezahlen können. „Der Fehler liegt in der Berechnung der Zuschüsse, die wir bekommen.“ Um die Differenz etwas zu verringern, wird auch das Schulgeld der Eltern verwendet. Und auch am Fachgymnasium, das entstehen soll, wird man Schulgeld erheben. Der eigentliche Plan, statt eines Fachgymnasiums eine Gemeinschaftsschule zu gründen, in der alle Schüler bis zum jeweiligen Haupt-, Real- oder Abitur-Abschluss gemeinsam lernen, haben Mischke und Braune hingegen verworfen. Mischke: „Erstens ist das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung der Gemeinschaftsschule noch nicht einmal beendet. Zweitens konnte uns im Ministerium immer noch keiner erklären, was der Unterschied zwischen einer Gesamt- und einer Gemeinschaftsschule sein soll. Und drittens hätte eine Gemeinschaftsschule wohl auch nicht den Wünschen vieler Eltern entsprochen.“
SCHWERPUNKTE
Gesundheit sowie Wirtschaft
Wer in Zukunft am Naumburger Fachgymnasium das Abitur erlangen will, muss sich zunächst für einen der zwei Schwerpunkte „Wirtschaft“ sowie „Gesundheit/Soziales“ entscheiden. In den drei Schuljahren werden dann – wie an einem „normalen“ Gymnasium auch – Fächer wie Deutsch, Mathematik, Geschichte, Sport oder Fremdsprachen unterrichtet. Hinzu kommen jedoch je nach gewähltem Schwerpunkt spezielle Unterrichtseinheiten wie Psychologie oder Pädagogik sowie Betriebs- und Volkswirtschaft, Rechnungswesen oder Betriebsinformatik. Die Gesamtstundenzahl ist dadurch, dass andere Fächer abgewählt werden können, allerdings nicht höher. Die angestrebte Hochschulreife ist dem Abitur an anderen Gymnasien vollkommen gleichgestellt. HBO
Kommentar
HARALD BOLZE bringt dem Engagement privater Bildungsträger weder Angst noch Ablehnung, sondern Respekt entgegen.
Ja, es stimmt: Privatschulen tragen ein Stück zur sozialen Spaltung bei. Denn klar gibt es Eltern, die sich dort vorrangig ein besseres soziales Umfeld für ihr Kind erhoffen. Und ja, die Politik ist in der Pflicht, die staatlichen Schulen zu stärken. Mehr Lehrer einstellen, mehr Dorfschulen erhalten, mehr Möglichkeiten für die Schulleiter, ihr Personal selbstständig auszuwählen. All das wäre schön. Und sicher wäre die Nachfrage nach Privatschulen dann auch geringer. Aber: Pures Jammern darüber hat noch keinen weitergebracht. Im Gegenteil: Jedes private Engagement, das zu einer funktionierenden Schule führt, ist zu loben. So auch die Pläne der MBA, ein privates Fachgymnasium in Naumburg zu etablieren. Wenn jeder erst warten würde, bis der Staat seine Hausaufgaben gemacht hat, herrschte Stillstand. Und wer privates Engagement ablehnt, fördert den Stillstand. Selten stecken hinter einer Privatschule rein kommerzielle Ziele. Es gibt weniger stressige Wege, Geld zu verdienen